Zähneputzen ist wie Anschnallen

21.03.2024 09:43 65 mal gelesen Lesezeit: 8 Minuten 0 Kommentare

Es ist Dienstagnachmittag in meiner Zahnarztpraxis. Die kleine Lisa (2 Jahre, Name geändert) hat den ersten Termin bei mir. Auf dem Schoß von ihrem Vater sitzt sie bei mir im Behandlungszimmer. Bevor ich die Zähne anschaue frage ich den Vater wie es mit dem Zähneputzen zu Hause klappt. „Richtig gut!“, antwortet er mir. Und erklärt: „Lisa macht das schon ganz gut für ihr Alter mit dem Zähneputzen. Und ganz oft dürfen auch wir Eltern danach noch etwas putzen.“

Diese oder ähnliche Situationen spielen sich jeden Tag in meiner Praxis ab. Eltern die mir glücklich erzählen wie gut es ihre Kinder für das Alter machen und mir mitteilen, dass sie manchmal oder öfters auch putzen dürfen.

Ich schau den Vater an und sag: „Wie schön, dass ihre Tochter schon das Zähne putzen übt.“ Und dann erklär ich ihm, dass es allerdings ganz wichtig ist, dass Eltern die Kinderzähne jeden Tag von allen Seiten sauber putzen. Eigentlich wissen Eltern das auch, es ist ja kein Geheimnis und trotzdem gibt es da ganz häufig einen inneren Konflikt bei den Eltern. Und sie schwanken zwischen „ja ich weiß was sie meinen und ich weiß, dass sie recht haben“ und „ja, aber ich will mein Kind nicht zwingen. Was soll ich denn machen, wenn mein Kind nicht möchte?“ Manchmal auch ein „Ich hab schlechte Erfahrungen beim Zahnarzt gemacht, ich möchte mein Kind nicht festhalten zum Zähneputzen, ich möchte es nicht traumatisieren.

Traumatisiert man ein Kind durch Zähneputzen? Nein. Was aber traumatisierend für ein Kind sein kann, sind Schmerzen durch Karies, unangenehme Zahnarztbehandlungen oder auch notwendige Narkosen.

Wie kann es also leicht mit dem Zähneputzen gehen? 
Wie kann ein Kind gut an die Zahnpflege herangeführt werden? 

Mein größter Tipp an alle Schwangeren ist immer wieder: „Die Vorbereitung des Zähneputzens fängt weit vor dem ersten Zahn an?“
Wieso soll man Zähne putzen bevor der erste Zahn da ist? Das hat zwei Gründe, zum einen wird das Baby von Anfang an daran gewöhnt, dass etwas im Mund passiert. Zum anderen werden auch die Eltern daran gewöhnt, dass es ganz normal ist.

Das Ganze geht ganz einfach:

Ab dem ersten Tag fahren die Eltern mit frisch gewaschenen Händen über den Kieferkamm des Babys, einfach wenn das Baby auf dem Wickeltisch liegt. Morgens und abends, wenn es frisch gemacht wird, gehen die Eltern mit frisch gewaschenen Händen über den Kieferkamm im Ober- & Unterkiefer. Es braucht dafür keinen Fingerling und auch keine Handschuhe. Dabei kann sowohl die Stärke vom Druck verändert werden, mal ganz sanft und mal ein kleiner Druck. Aber man kann auch wechseln zwischen kleinen Kreisen, kleinen tupfenden Bewegungen und einem Hin-und-Her wischen. Ziel dieses morgendlichen Rituals ist es dem Baby einen Einstieg in die Mundhygiene zu geben und zu etablieren, dass es ganz normal ist, dass etwas im Mund passiert. Außerdem lernen Eltern den Mund von ihrem Baby besser kennen. Eventuell vorhandene Hemmungen oder auch ein Ekel vor dem Speichel und Mund des Babys können abgebaut werden. Eltern lernen den Mundraum zu inspizieren, sie werden zum Profi für den Mund ihres Kindes. Genau das ist wichtig, denn das brauchen wir auch bei der späteren Zahnpflege! Eltern müssen Kinderzähne sehen, um sie sauber zu putzen.

Dieses kleine tägliche Ritual kann ganz einfach integriert werden und ist eine klassische win-win Situation für Eltern und Kind.

Wenn dann der erste Zahn kommt, dann ist es ziemlich leicht die Zahnbürste mit dazu zunehmen und den kleinen Zahn von allen Seiten sauber zu putzen. Ein kleiner Trick ist es selbst den Mund WEIT auf zu machen, so dass das Baby die Mimik nachmacht und auch den Mund aufmacht. Unglaublich erleichternd ist es, wenn Eltern schon gewöhnt sind mit Fingern in den Mund zu gehen, denn jetzt braucht es diese Finger im Mund, damit Lippe und Wange zur Seite gehalten werden und die Zahnbürste an alle Zähne kommen kann. Am einfachsten ist es, wenn das Baby auf dem Wickeltisch oder dem Fußboden liegt. Eine Hand hält die Lippen und Wangen ab, die andere Hand hält die Zahnbürste und putzt die Zähne sauber. Für die ersten Zähne ist die Empfehlung 10-15 sec pro Zahn. Wir brauchen also nicht viel Zeit, wir brauchen nur eine gute Technik um die Zähne zu erreichen.

Kleine Kinder greifen dann ganz oft nach der Zahnbürste und möchten diese in die Hand nehmen. Daher hier mein extra Tipp, wenn ihr eurem Kind die Zähne putzt:

Habt mehrere Zahnbürsten zur Hand. Wenn euer Kind nach der Zahnbürste greift, mit der ihr aktuell seine Zähne sauber putzt, dann gebt eurem Kind diese Zahnbürste in die Hand und nehmt einfach die nächste Zahnbürste zum Zähneputzen. (Ihr habt ja extra mehrere.) Und natürlich wird euer Kind dann Zahnbürste zwei greifen und Zahnbürste eins fallen lassen. Na wunderbar, dann gebt ihr Zahnbürste zwei ab und nehmt Zahnbürste drei oder wieder die erste. Einfach immer, sobald euer Kind nach der Zahnbürste greift, tauschen und weiter putzen. Und ganz nebenbei putzt ihr die Zähne sauber.

 

Wie kann man Kinder noch motivieren zur Zahnpflege?

Musik macht auf jeden Fall vieles einfacher und es muss gar kein ganz besonderes Zahnputzlied sein. Macht euch euer Lieblingslied an, damit ihr Eltern gute Stimmung habt für die Zahnpflege. Auch Rituale sind eine wirklich tolle Unterstützung, denn diese geben den Kindern Sicherheit und Verlässlichkeit, dass der Ablauf am Abend und am Morgen immer gleich ist und die Zahnpflege mit dazu gehört.

Erzählt lustige Geschichten. Ihr könnt zum Beispiel beim Zähneputzen das Abendessen zwischen den Zähnen suchen oder schauen, ob sich irgendwo ein Trecker oder ein Gartenzwerg versteckt. Auch kleine Helden aus Kinderbüchern oder TV-Serien können als Motivation in die Geschichten eingebaut werden.

Der wichtigste Teil ist allerdings, dass Eltern sich bewusst machen, dass die Zahnpflege etwas Gutes tut!

Na klar, Kinder haben oft keine Lust. Und auch ein zweijähriges Kind möchte viel lieber die Welt entdecken als auf dem Boden zu liegen und sich die Zähne putzen zu lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass keine direkten Konsequenzen sichtbar sind, wenn die Zähne nicht sauber geputzt sind. Karies entsteht nicht direkt im Anschluss an die fehlende Zahnpflege. Es braucht Wochen oder Monate in denen Zahnbelag (und die darin enthaltenen Bakterien) den Zahnschmelz kaputt machen und eine Karies entsteht. Für Kinder erscheint Zähneputzen daher sinnlos. Doch auch wenn es für Kinder (noch) nicht sinnvoll und notwendig erscheint und sie lieber spielen, laufen, toben wollen: Zahnpflege ist unglaublich wichtig. Es ist ganz entscheidend, dass die Zähne zweimal am Tag von allen Seiten sauber geputzt werden. Und wenn ihr eine Phase habt, in der es ganz schwierig ist, dann putzt wenigstens abends nach dem Abendessen alle Zähne von allen Seiten sauber, damit die Kariesbakterien keine Chance haben.

Jeder darf sich bewusst machen:
Eltern ärgern ihre Kinder nicht durch die Zahnpflege.
Eltern quälen ihre Kinder nicht.
Eltern schaden ihren Kindern nicht.

Sondern ganz im Gegenteil:

Zahnpflege ist etwas wichtiges und Gutes für euer Kind!

Ihr sorgt für die Gesundheit!

Ich sage immer wieder „Zähneputzen ist wie anschnallen im Auto!“ Darüber gibt es einfach nichts zu diskutieren.

Zurück zu Lisa und ihrem Vater bei mir in der Praxis. Ab welchem Altern können Kinder die Zähne allein von allen Seiten sauber putzen?

Erst im Alter von ca 10 Jahren, wenn sie flüssig Schreibschrift schreiben, dann ist die Feinmotorik so ausgereift, dass Kinder die Zähne von allen Seiten sauber putzen können! Bis dahin sollten Kinder natürlich trotzdem Zähneputzen – um es zu Üben! Aber die Eltern sollten nachputzen.

Bei unter Dreijährigen ist die altersentsprechende Zahnpflege durch die Kinder selbst einfach ein KAUEN auf der Zahnbürste. Als Nächstes kommen dann einfache vor und zurück Bewegungen auf den Kauflächen dazu. Mit weiterer motorischer Entwicklung sind auch die kleinen Kreise auf den Außenflächen möglich und als Letztes kommen die auswischenden Bewegungen auf den Innenflächen dazu. Zähneputzen entwickelt sich parallel zur Feinmotorik beim Schreiben. Auch hier sieht man die motorische Entwicklung in Abhängigkeit vom Alter. Es ist wichtig, dass Kinder lernen ihre Zähne von allen Seiten sauber zu putzen. Aber bis sie es wirklich können, bis dahin ist es in der Verantwortung von uns Eltern die Zähne jeden Tag von allen Seiten wirklich sauber zu putzen.

Auch wenn euer Kind das manchmal nicht will - so wie beim Anschnallen im Auto!
Die Zahngesundheit der Kinder liegt in den Händen der Eltern. Und damit wird der Grundstein für das Leben gelegt. Je früher ein Loch in ein Zahn kommt, desto größer ist das Kariesrisiko ein Leben lang. Umgekehrt heißt es, wenn ihr die Zähne gesund durch die Kindheit bringt, dann ist das Kariesrisiko lebenslang geringer.

Also lasst uns gemeinsam schauen, dass alle Kinderzähne gesund bleiben.

 

Und noch ein paar Worte zu mir:

Zahnärztin Dr Maren Koch
Mutter von drei Kindern

Meine Vision ist es, dass alle Kinderzähne gesund bleiben! Dafür kläre ich in der Online-Welt auf.

Eltern finden mich auf Instagram @Kinder.Zahngesundheit oder bei Facebook @Kinder-Zahngesundheit oder auch im großen www unter www.kinder-zahngesundheit.de

Dort biete ich unfassbar viele Tipps & Tricks an rund um das Thema Zahnpflege bei Kindern (vom Zähneputzen, über Ernährung und den Schnuller bis hin zu Produktempfehlungen). Neben dem Content auf Social Media gibt es gratis Produkte im Download, kostenlose Vorträge und meine buchbaren Onlinekurse.

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